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Sonntag, 31. Dezember 2006
Mein traurigstes Fest
tobiasschulz, 12:50h
Weihnachten. Zeit, die man mit Familie, mit Freunden, mit lieben Menschen verbringen will. Eine Zeit, in der allein zu sein tiefer schmerzt als sonst im Jahr. Eine Zeit, in der wir nach Harmonie und dem streben, was wir ”perfekte Weihnachten” nennen.
Ob es diese gibt, sei dahingestellt. Ich möchte gerne daran glauben. Doch jeder von uns hat wohl Geschichten von Weihnachtsfesten, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen haben. Sei es, dass Weihnachten uns die Verfehlungen des vergangenen Jahres so schmerzlich vor Augen führt. Sei es, dass ein uns lieber Mensch uns verlassen hat. Oder sei es nur, dass die Gans verkohlt und der Kater den Baum zu Fall bringt. Dies ist meine Geschichte: Die vergangenen Monate hatten mich auf neue Wege und fern von meinen Lieben geführt. Wege, die ich gehen musste aber auch gehen wollte. Doch gerade zu dieser Zeit des Jahres vermisst man das Zurückgelassene besonders und Zweifel hegen sich über die Richtigkeit des Hier und Jetzt’s. Ich wollte nach Hause zu den Feiertagen. Gebettelt und Gebeten hatte ich, um von meiner Arbeit frei zu bekommen. Nicht einfach, wenn Hauptsaison in meiner Branche ist. Zwei Tage bekam ich frei. Zwei mickrige Tage. Nicht viel. Den 24. und 25. Dezember. Besser als nichts. Ich musste nach Hause. Verschiedene Transportmöglichkeiten wurden geprüft, die nicht zu viel kosten durften aber mir auch gleichzeitig möglichst viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden geben sollte. Ich entschied mich, mit leicht flauem Gefühl im Magen, für die Überlandbusse der ”eurolines”: für 90,- Euro sollten diese mich in der Nacht vom 23. auf den 24. nach Hause bringen und mich pünktlich zur Arbeit am 26. Dezember wieder in Paris absetzen. Für 22:19 Uhr war mein Bus angekündigt. Ich wartete im Hotel Sequoia Lodge, einer gemütlichen Behausung im Stile amerikanischer Nationalparks in warmen Holztönen und einem prasselnden Kaminfeuer. Weihnachtlich eben. Ich freute mich auf zu Hause. Auf Frühstück mit den Eltern und mit der kleinen Schwester – die doch eigentlich gar nicht mehr so klein ist. Aber ändert sich das wirklich? Ich freute mich darauf, den Baum zu schmücken. Wie ich es jedes Jahr tue. Ich freute mich feine Festtagskleidung anzulegen und zum Heiligabend Großeltern, Taten, Onkel und Cousins in die Arme nehmen zu können. Ich warte auf den Bus. Es wurde 22:30 Uhr. Es wurde 22:45 Uhr. War der Bus zu früh gekommen? Hatte ich ihn übersehen? Ich fragte nach. Niemand hatte irgendwelche Busse gesehen. Es wurde 23:00 Uhr. Ich saß da. Es war kalt. Der Abend für Weihnachten eben. Mein Herz sank immer tiefer. Ich versuchte die auf meinem Ticket vermerkte Hotline anzurufen. Ein Band meldete sich. Es gäbe noch eine Nummer für Notfälle. Keiner nahm ab. Ein liebenswerter Kollege an der Rezeption des Hotels versuchte mir weiterzuhelfen. Er konnte nicht älter als 23 gewesen sein. Warum werden nur alle Menschen um mich herum immer jünger? Weit kam er nicht. Auch er war ratlos. Es war nicht sein Fehler. Ich sah nur noch eine kleine Chance. Ein Rettungsseil, ein Rückgrat, das man doch eigentlich hofft, als erwachsener Mensch nicht mehr beanspruchen zu müssen – das aber doch immer dankenswerterweise da ist. Aber einen auch manchmal um zehn Jahre zurückwirft. Doch man darauf bauen. Ich rief mit den letzten paar Euros, die ich auf meiner Telefonkarte hatte meine Eltern an. Ich wollte es nicht. Auch weil ich sie nicht erschrecken wollte. Ich wollte, dass sie sich auf mein Kommen freuen. Ich wollte mich darauf freuen, dass sie sich freuen. Doch ich war am Ende meiner Weisheit. Ich konnte nicht anders. Es tat mir leid. Meine Mutter nahm ab. Ich bat sie, noch einmal die Notfallnummer anzurufen. Sie erreichte einen ahnungslosen Telefonisten, der keine Ahnung hatte und allen ernstes behauptete, es sei durchaus normal, dass die ”eurolines”-Busse ein bis zwei Stunden Verspätung hätten. Über meinen Bus hatte er allerdings keine genauen Informationen. In ihrer und meiner Verzweiflung versprach meine Mutter Zugverbindungen im Internet zu suchen. Es war mittlerweile halb zwölf. Ich saß da im Hotel. Mit bangem Blick auf die Auffahrt, sollte doch noch ein Bus herbeifahren. Ich konnte nichts tun. Meine Hände waren gebunden. Ich wartete. In meinem Kopf spielten sich die schlimmsten Szenarien ab. Ich sah mich in meinem kleinen, französischen Zimmer. Allein am Heiligabend. Nur eine Kerze brennend. Einer offenen Flasche Whiskey und unter der Bedecke verkrochen. Fertig mit der Welt. Der einsamste Mensch in der Welt. Oder zumindest in meinem Zimmer. Und ich sah meine Familie. Am Baum. Feiernd. Lachend. Doch mich vermissend. Mir war elend. So elend wie noch nie. Wie schafft es Weihnachten nur, mich so mitzunehmen? Wieso war mir das so wichtig? Wieso ließ mich die Aussicht, nicht nach Hause kommen zu können, in Frankreich gestrandet zu sein, so leer werden? Ich hätte heulen und schluchzen können – nur konnte ich es nicht. Ich war fertig. Meine Mutter versuchte noch einmal die Hotline anzurufen. Der Mann hatte keinen Schimmer. Und konnte auch nicht weiterhelfen. Eigentlich tut er mir leid. Ich wartete noch bis halb eins. Fast zweieinhalb Stunden. Es kam kein Bus. Ich war allein. Seit ich nicht mehr zu Hause wohne, seit ich in die Welt hinausgegangen bin, da hat Weihnachten für mich an so viel Bedeutung gewonnen. Es ist das Fest, an dem ich zu Tagen zurückkehre, die vermutlich nicht immer so glücklich waren, es aber in meiner Erinnerung stets sein werden. Ich kehre zu Menschen zurück, die mich aufrichtig lieben. Menschen, die mir wichtiger sind als alles andere in der Welt. Weihnachten ist mein Rettungsanker. Ein sicherer Hafen von den Ungewissheiten, die mein Leben nun nach Ende meines Studiums so ausmachen. Egal was geschieht, Weihnachten ist immer da. Und mit ihm meine Familie. Der Baum. Das fürchterlich schief gesungene ”Stille Nacht”, das ich so sehr liebe... Ich kehrte gebrochen in meine Wohnung zurück. Ein Freund hatte mich auf dem Weg noch versucht aufzuheitern. Ich bat ihn, seine Versuche aufzusparen. Im Moment würden sie nicht fruchten. Egal, was er auch tun sollte. Doch ich konnte nicht anders als ihn in diesem Moment zu lieben. Er war da für mich. Danke. Ich sitze nun in einem Zug. Wir fahren irgendwo durch die Champagne. Es geht nach Hause. Ich fand am Abend noch eine Verbindung nach Ulm. Die einfache Fahrt teurer als Hin- und Zurück mit dem Bus, der mich doch so übel mitgenommen hat... Es ist mir egal. Ich verliere nun einen ganzen Tag auf Grund meiner gerade eben erzählten Geschichte. Nur wenige Stunden bleiben mir mit meinen Lieben. Am 25. Dezember soll ich wieder zurück fahren. Mit dem Bus. Ich weiß nicht, ob ich die Fahrt antrete. Im Moment will ich nach Hause. Und dort bleiben. Vielleicht melde ich mich bei der Arbeit für ein, zwei Tage krank. Fahre später. Mir egal. Ich kann nicht anders. Kurz vor sechs Uhr soll ich in meiner alten Heimatstadt ankommen. Heiligabend ist da schon angebrochen. Menschen im ganzen Land versammeln sich gemeinsam. Und ich komme an. Und auch ich werde da sein. Mit meiner Familie. Mit meinen Lieben. Und so wird vielleicht mein traurigstes Fest gleichzeitig zu meinem schönsten und dem mir wertvollsten... Ich weiß, wie sehr ich mich danach sehne. Ich weiß, wie sehr ich es brauche. Ich weiß. Und ich werde der glücklichste Mensch auf Erden sein... Ich bin zu Hause. Frohe Weihnachten... (geschrieben am 24.12.2006) link (1 Kommentar) kommentieren Dienstag, 19. Dezember 2006
Meine Woche in Rot
tobiasschulz, 12:26h
Die Woche trage ich rot. Wirklich rot. Feuerwehrrot.
Ich helfe die Woche aus. Bei Guest Flow. Deren Kostüm ist eben rot. Rote Weste. Rote Jacke. Roter Parka. Blutrot. Tomatenrot. Kreischend rot. Guest Flow ist bei Disney die Abteilung, die sich um die Sicherheit der Gäste während der Paraden und Shows sowie um den Einlass bei den verschiedenen Theatern kümmert. Schon während meines ersten Engagements bei der Maus hatte ich das Vergnügen, hier zu arbeiten. Für diese Woche waren meine Kollegen etwas unterbesetzt und daher wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, hier ein paar Tage auszuhelfen. Und ob! Es ist eine willkommene Abwechslung von meiner Arbeit in der City Hall. Praktisch wie ein kleiner Urlaub. Und es gibt mir ein paar frische Perspektiven. Ich genieße den Job. Sonntag (als der Park mal wieder zum Bersten voll war) war ich im Videopolis Theater, in dem ”The Legend of the Lion King” zum Besten gegeben wird und ein spärlich bekleideter, mich beschämend gut gebauter Schwarzer trällernd und tanzend den Simba gibt. Hat Spaß gemacht. Hakuna Matata eben. Aber erst mal bitte ein Ticket für die Show besorgen. Sonst gibt’s keinen Einlass. Three o’clock next to the Discoveryland train station. Quinze heures à coté de la gare de Discoveryland. 15 Uhr neben dem Discoveryland Bahnhof. Danke. Merci und Thank You. Gestern dann den ganzen Tag über draußen. Ich trug zwei Paar Socken und eine Trainingshose unter dem (ich wiederhole) roten Kostüm. Es war gerade so erträglich. Und ich will einen dieser Gasheizer, die aussehen wie Pilze, zu Weihnachten. Ich verteilte Parkpläne und regelte die beiden Paraden. Und ich machte die Bekanntschaft mit einem freundlich durchgeknallten Italiener und einer reizenden älteren Engländerin. Ich habe eine gute Woche. In Rot. link (0 Kommentare) kommentieren Sonntag, 17. Dezember 2006
Wie man ... einem Kind den Tag versaut
tobiasschulz, 23:24h
Man nehme:
Ein kleines Mädchen mit langen, braunen Haaren, das mit einer der weißen Schnüre spielt, die wir für Warteschlangen aufspannen. Da man sich mit diesen wirklich weh tun kann und ich nicht will, dass das Wochenende bei Disney für das kleine Mädchen mit den langen Haaren den Bach runtergeht mit einem Besuch in unserer Erste Hilfe Station geh ich hinüber und sage: "Sei bitte vorsichtig mit der Schnur, Mademoiselle!" Worauf ich nur noch eins höre: "Je suis un garcon!" link (0 Kommentare) kommentieren ... Ältere Stories
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