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Sonntag, 24. September 2006
Mein Sonntag unter Troedel
tobiasschulz, 23:20h
Ein Sonntag in Paris. Ich hab frei. Was am Wochenende sehr selten vorkommt. Noch seltener kommt vor, dass ich fuenf Tage hintereinander frei habe. Meine Chefs scheinen noch nicht so recht zu wissen, wohin mit mir... Fuenf Tage nicht viel tun. Das ist eine lange Zeit, nicht viel zu tun.
Heute tat ich jedoch was. Ich traf die eine nette, junge Deutsche, die ich aus dem Zug kenne. (Das war die, die - im Unterschied zu unseren Mitreisenden - nicht vorbestraft war.) Sie hatte ihren Nachfolger bei ihrer Au-Pair Familie dabei. Ein junger Bursche aus Freiburg, der gerade erst mit dem Abi fertig geworden ist. War ich auch mal so jung? Wir machten uns auf zu einem gewaltig grossen Troedelmarkt im Norden der Stadt. Zu erst hatten wir uns dort durch eine Schare von billigen Marktstaenden und fliegenden Haendlern zu kaempfen, auf derem Pass als Geburtsstadt wohl Tunis, Rabbat oder Brazzaville stehen muss... Der wahre Schatz lag hinter den billigen aber sauteuer verkauften T-Shirts, Turnschuhen und gefaelschten Dolce & Gabana Guerteln: die Antiquitaetenhaendler. (Was fuer ein Wort, wenn man es ohne Umlaute schreiben muss...) Die einen sassen in einer grossen Halle mit zwei Ebenen, die anderen in einem wahre Labyrinth aus Gassen und windschiefen Haeuschen. Es stapelten sich prunkvolle Sessel aus der Zeit der Napoleons (beider, um genau zu sein), Art Deco Anrichten, Louis XVI. Schraenke, Blechspielzeug aus den 30ern, Frauenkleider aus den 40er und 50er Jahren, Buecher aus allen Jahrhunderten, alte Magazine aus den letzten hundert Jahren, uralte Postkarten, nicht minder alte Geldscheine und Buecher voller pornographischer Zeichnungen aus China, Indien und Frankreich aus Zeiten, ueber die ich dachte die Menschen haetten gar keinen Sex gehabt. (Ausser zum Babysmachen und Gonneroehbekommen.) Die Werke aus all diesen Jahrhunderten waren beeindruckend. Viel Geld kann man hier lassen. Was ich auch irgendwann mal will. Nur nicht Heute. Leider... Weiter ging es in das alte Viertel von Beaubourg hinunter. Ich liebe diese Ecke. Sie steckt so voller kleiner Widersprueche. Das ist fuer mich Paris: so steht in der Rue St. Denis zwischen lauter Sex-Shops, Doener-Buden (Tipp: nie Doener in Frankreich bestellen!) und Gay-Saunen eine entzueckende kleine Kapelle... Unser kleiner Trupp wanderte durch die Strassen. Meinen Lieblings-Second-Hand-Shop fuer CDs gibt es noch. Auch hier kann man viel Geld lassen. Was ich auch irgendwann mal will. Nur nicht Heute. Leider... Wir marschierten am Rathaus vorbei, ueber einer der Seine-Bruecken auf die Ile de la Cite, welche von der altehrwuerdigen Kathedrale Notre Dame dominiert wird. Huebsche Kirche. Aber klein. Sah im Disneyfilm groesser aus. Auf der anderen Seine-Seite gibt es einen recht coolen, englischsprachigen Buchhaendler: Shakespeare & Co. Vollgestopft mit Buechern, neuen und alten. (Manchen noch mit Hakenkreuz drauf... erstaunlicherweise wurde dieses eine Buch in England verlegt...) Buecher ueber Buecher. Und der Kater lebt noch. Ueberraschenderweise. (Kleiner Insider fuer alle, die den Laden kennen... werden hier wohl nicht so viele sein...) Auch hier kann man viel Geld. Was ich auch will. Und gemacht habe. Heute. Leider... Noch einen Schwenker durch das Marais mit seinen koscheren Baeckern, Tora-Schulen und Schwulenkneipen. Paris ist herrlich. Lauter Eindruecke. Immer neue. Und doch hat man das Gefuehl, stets nur an der Oberflaeche dieser Stadt zu kratzen... Ich jedenfalls... Ich verabschiedete mich von meiner Begleitung und fuhr zurueck in meine Mauswelt. (Was etwa 45 Minuten dauert.) Dort war ich noch typisch franzoesisch essen: bei McDonald's - aber das ist ein ganz eigenes Thema fuer einen anderen Tag... |