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Samstag, 21. Oktober 2006
Mein Nein
tobiasschulz, 11:52h
Eine Sache, die ich für meine Arbeit noch zu lernen habe ist – abgesehen von meinen sisyphos-ähnlichen Bemühungen die französische Sprache betreffend – zu begreifen, dass mein Wort Gesetz ist. Jedenfalls dem Gast gegenüber.
Nun bin ich ja von Haus aus jemand, dessen ”Nein” eher wie ”Neeeeijaaaa gut, ist okay” klingt. Was ich eigentlich mittlerweile auch besser wissen müsste. So bin ich schon in manche Situation hineingerutscht, die ich besser vermieden hätte. Ernsthaft: Freundschaften sind an meiner Neigung zum ”Ja” zerbrochen. Allerdings arbeite ich jetzt an einem Ort, an dem ich starken Kontakt mit unseren Besuchern habe. Meist ist dies harmlos und mein ”Ja” richtet keinen großen Schaden an: ”Haben Sie einen Plan auf Englisch?” – ”Ja.” ”Kann ich hier einen Tisch für Heute Abend reservieren?” – ”Ja.” ”Gibt es im Park Tampons zu kaufen?” – ”Ja.” Alles ganz harmlos. Doch dann gibt es wiederum Besucher, die es wirklich darauf anlegen... und mein ”Ja” ist da völlig fehl am Platze. Wie letzte Woche, als an einem sehr gut besuchten Samstag sich eine französische Familie wie folgt beschwerte: sie seien am Nachmittag gekommen und hätten bis zum Abend nur eine Attraktion fahren können. Daher wollten sie ihr Geld zurück. Es ist natürlich zu fragen, wer so gestrickt ist, an einem Samstag erst am Nachmittag einen Freizeitpark aufzusuchen und sich dann zu beschweren, dass man vor lauter Leut’ zu nix kommt. Dies muss dem Gast schonend beigebracht werden. Schließlich wollten sie mit einem Vorgesetzten sprechen, weil ihnen meine Antwort nicht gefallen hat. (Ein ”Nein”, ob man es glaubt oder nicht.) Dankenswerterweise schaltete sich eine Kollegin, die recht strikt sein kann, in die Konversation ein. Die Gäste zogen unverrichteter Dinge ab. Vor ein paar Tagen beobachtete ich eine andere Kollegin, dessen ”Nein” ich absolut bewundere: ein Niederländer hatte vor Jahr und Tag eine angeblich recht teure ”Winnie the Pooh”-Schneekugel gekauft (warum er das getan hat, soll außen vor bleiben). Irgendwie hatte er es geschafft, dass sich im Inneren der Kugel Schimmel angesetzt hatte. Er wollte die Kugel umtauschen. Oder sein Geld zurück. Wie auch immer. Der Kassenzettel war allerdings verschwunden... den Verlauf der Diskussion mag man sich vorstellen: der gute Mann versuchte alles, um meine Kollegin zu überzeugen, dass er im Recht sei. (Wie man auf die Idee kommt, nach Jahren etwas ohne Kassenzettel umtauschen zu wollen und dann noch sauer zu sein, wenn dies nicht klappt, bleibt mir ein Rätsel.) Sie blieb beim ”Nein”. Sie zeigte keine Schwäche. Keine Zuckung. Stark. Ich dagegen habe mit einem Saarländer zu kämpfen, der einen Behindertenpass für unsere Attraktionen will. Auf den ersten Blick sieht er kerngesund aus. Ein ärztliches Attest hat er nicht. Allerdings ist er ganz wild darauf mir seine halboffene Magendurchbruchswunde zu zeigen. Mein ”Nein” scheint ihn zu verblüffen. Ich muss auf das Attest bestehen. Geht nicht anders. Ausnahmsweise stell ich ihm für zwei Tage einen Pass auf. Er bleibt jedoch vier. Ich gebe ihm unsere Faxnummer, so dass er seine Ärztin bitten kann, uns das Attest zuzusenden. So recht einverstanden scheint er nicht zu sein. Mir ist die ganze Unterhaltung unangenehm. (Nicht nur wegen der drohenden Demonstration der oben genannten Magendurchbruchswunde.) Ich mag es nicht ”Nein” zu sagen. Ist wirklich nicht meine starke Seite. Aber ich muss es erlernen. Ich muss dem Gast klar machen, dass ich hier der Chef bin. Mag er auch Gast sein, so bin ich es, der die Regeln aufstellt. Es ist eine wichtige Lektion, die ich da zu lernen habe. Eine, die mir nicht ganz leicht fallen wird. Aber eine, die mir in der Zukunft weiterhelfen dürfte... ”Bringst du den Müll raus?” – ”NEIN!” |