Mausgebloggt
Mittwoch, 23. Mai 2007
Mein Kulturexport
Ein großer Nachteil, im Ausland zu leben, besteht darin, dass große Kulturerrungenschaften der Heimat auf einmal so fern sind. Wie Bretzeln, richtiges Bier, ein guter Metzger und Wiederholungen von ”Ich heirate eine Familie” im Samstagnachmittagprogramm des ZDFs.
Ein großer Vorteil, im Ausland zu leben, besteht darin, dass große Kulturerrungenschaften der Heimat auf einmal so fern sind. Wie Bild, RTL, Dieter Bohlen und Oli Pocher.
Man lebt brav so vor sich hin und sonnt sich in der Gewissheit, aus dem Land der Dichter und Denker zu kommen - mit Goethe, Schiller, Kant und Beethoven als Vorzeigedeutsche. (Der ”Andere” war ja eh Österreicher, zählt also nicht.)

Und dann passiert es: man geht ins Kino. Kommt in den halbdunklen Saal, sucht einen Platz und bemerkt schließlich, dass auch die Franzosen die grausige Angewohnheit haben, vor Filmvorführungen schlechte Musik laufen zu lassen. Und nicht nur, dass da schlechte Musik läuft... Nein! Man versteht plötzlich die Worte und es wird einem klar, dass dieser Kindergeburtstags-Rock der da läuft nur eines bedeuten kann: Auswüchse, deutscher Populärkultur haben Frankreich erreicht... In diesem halbabgedunkelten Kinosaal lief: Tokio Hotel.

Was macht diese Gruppe von Ex-Konfirmanden mit einem Modegeschmack, die selbst den schwulsten H&M-Verkäufer zum Heulen bringt, in Frankreich?!? Wo kommen die denn plötzlich her? Was machen die auf dieser Seite des Rheins? Und warum ausgerechnet Tokio Hotel???

Auf Nachfrage bei anwesenden Franzosen musste ich erfahren, dass die vier Buben aus Magdeburg unglaublich beliebt sind. Auch in Frankreich werfen verstörenderweise elfjährige Mädchen ihre Teddybären und Unterwäsche auf die Bühne. Nur dass sie kein Wort verstehen, was da gesungen wird. (Was allerdings Kiddies nie abgehalten hat – man denke nur an die englischsingenden Boygroups der guten alten 90er Jahre...)
Das letzte Album der Gruppe, ”Zimmer 483”, schaffte es in der Heimat Voltaires, Prousts und Gerard Depardieus sogar auf Platz 2 der Charts mit bislang mehr als 164.000 verkauften CDs.

Man steht vor einem Rätsel – oder vor verflixt gutem Marketing. Tokio Hotel ist jedenfalls ein extrem erfolgreicher Kulturimport bei unseren französischen Nachbarn geworden.

Übrigens genauso wie eine kleine Sendung im Nachmittagsprogramm von TF1 namens ”Le Destin de Lisa” alias ”Verliebt in Berlin”...

Und so reihen sich Lisa Plenske und die Kautlitz-Zwillinge in die Reihe deutscher Kulturexporte wie Wagner, Weißbier, Haribo und Heidi Klum ein... Es gibt Tage an denen die Heimat nicht fern genug ist...

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